27.04.2022: Autarkes Rosenhof-Quartier: Energiewende-Attraktion mitten in Soltau
Mitten im Stadtkern der 20.000-Einwohner-Stadt Soltau in der Lüneburger Heide ist eine energetisch-technische Sanierung der besonderen Art gelungen. Laudeley Betriebstechnik hat dort gemeinsam mit dem Zahnarzt Dr. Hans-Christian Lohmeyer ein Quartier beinahe autark gemacht. Dafür wurde u.a. ein neues, großes Carport als Träger der Photovoltaikanlage errichtet, ein Nahwärmekonzept mit Blockheizkraftwerk realisiert und mehrere Flurstücke sowie Netzanschlüsse zusammengelegt.
Dr. Hans-Christian Lohmeyer verfügt mitten in Soltau über aneinander angrenzende Grundstücke, auf denen u.a. ein denkmalgeschütztes Haus aus dem Jahr 1896 steht, das seine Zahnarztpraxis mit angeschlossenem Labor beherbergt. Daneben gibt es im Rosenhof-Quartier ein Zwei-Parteien-Haus aus dem Jahr 1962 und ein neu errichtetes KfW-40Plus-Haus, das über eine kleine Photovoltaikanlage verfügt.
Die Energieverbräuche sind aufgrund des Altbau-Charakters der zwei Gebäude und des energieintensiven Gewerbes hoch: Der Gasverbrauch liegt bei 180.000 Kilowattstunden, während etwa 45.000 Kilowattstunden elektrischer Energie für die Gebäude und das E-Auto von Tesla benötigt werden. Bereits während des Baus des neuen Gebäudes 2019 keimt in Lohmeyer der Wunsch: Etwas mehr energetische Autarkie darf es dann schon sein.
Doch dabei gibt es ein Problem: Keines der Gebäude verfügt über eine geeignete Dachfläche, um genügend Solarstrom zu produzieren. Auf der Suche nach Lösungen, stößt Lohmeyer auf die Youtube-Videos von Holger Laudeley. Es reift die Idee, ein weiteres Gebäude auf dem großen Grundstück zu bauen, das für eine große Photovoltaik-Anlage für das Rosenhof-Quartier Platz bietet. So entsteht ein großes, Carport-ähnliches Gebäude, das eine große Dachfläche bietet.
Gleichzeitig muss der zwischenzeitlich beauftragte Holger Laudeley ein weiteres Problem lösen: Wie können die aneinander grenzenden Flurstücke so verschmolzen werden, dass am Ende nur ein einziger Einspeisepunkt übrig bleibt? Denn genau das, hatte der zuständige Netzbetreiber bei einer Erstbesprechung gefordert. “Aber die Stadtwerke Soltau zeigten sich erstaunlich offen für meinen Wunsch, als ich ihnen das Energiekonzept zeigte”, erinnert sich Lohmeyer. Kurz darauf war die Grundstücksverschmelzung abgeschlossen.
Das Energiekonzept sieht u.a. die Zusammenlegung der Netzanschlüsse, die Umsetzung eines Nahwärmekonzepts und die parallele Eigenversorgung über Gas-Verstromung vor. Die Photovoltaikanlage (75 kWp) und drei E3/DC-Speichersysteme vom Typ Quattroporte XXL (78 kWh, Ausspeiseleistung 18 kW) sorgen für die Stromversorgung im Sommer. Ein Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von elf Kilowatt elektrisch und 33 Kilowatt thermisch nutzt im Winter Naturgas, und wird zentraler Bestandteil des Nahwärmenetzes. Ein Spitzenlastkessel sorgt an sehr kalten Tagen für zusätzliche Wärmeversorgung. Im Sommer übernehmen zwei Brauchwasser-Wärmepumpen die Warmwasserbereitung.
Mit einer Photovoltaik-Erzeugung von 70.000 Kilowattstunden pro Jahr, dem zusätzlichen Strom aus dem Blockheizkraftwerk (33.000 kWh) und einem Eigenverbrauchsanteil von 75 Prozent geht das komplexe Laudeley-Konzept auch im Soltauer Quartier voll auf. “Was so wichtig ist: Dies alles gelang, ohne im denkmalgeschützten Haus etwa die Fassade durch Dämmung oder die Heizkörper verändern zu müssen”, sagt Laudeley. Dies wäre nötig geworden, hätte das Konzept die Integration einer Wärmepumpe vorgesehen. Die Bundesregierung plant innerhalb weniger Jahre, nur noch Heizungen zuzulassen, die mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien umfassen.
Als externer Messstellenbetreiber agiert im Rosenhof-Quartier das Aachener Cleantech-Unternehmen Discovergy. “Ohne dessen digitalen Stromzähler sind die Abrechnungen solcher Quartiere extrem aufwändig und quasi nicht realisierbar”, so Laudeley. Erzeugung und Verbrauch kann Energieversorger Lohmeyer jederzeit im Discovergy-Portal online oder via App kontrollieren. “Außerdem sind bestimmte Steuerungsaufgaben ohne digitale Messeinrichtungen nicht möglich”, so Laudeley. “Da geht es beispielsweise um die Kommunikation mit einem Rasperry Pi zur Auslesung der Zählerdaten oder den sicherheitsrelevanten NA-Schutz der Anlage.”
Insgesamt setzte Laudeley auf eine sogenannte “Fünffachzählung”, das heißt, es wurde ein Zweirichtungszähler für Bezug und Lieferung verbaut, und daneben Einzelzähler zur Abgrenzung BHKW- und PV-Strom, sowie für Photovoltaik, Blockheizkraftwerk und Speicher. Eine Unterzählung in den vier Häusern macht die Abrechnung mit den einzelnen Vertragsparteien möglich.
Für Dr. Lohmeyer stand beim Projekt “Autarkes Rosenhof-Quartier” die Wirtschaftlichkeit nie im Vordergrund: “Wir können nicht erwarten, dass der Staat alles in Sachen Klimaschutz alleine macht”, so der Mediziner. “Wir müssen alle unseren Beitrag leisten. So kommen wir in kleinen Schritten ans Ziel.” Trotzdem freut sich der Neu-Energieversorger seine laufenden Energiekosten pro Jahr um 6.000 Euro verringern zu können, und gleichzeitig das öffentliche Netz zu entlasten.
Nach dem ersten Betriebsjahr im autarken Rosenhof-Quartier sind die Ergebnisse eindeutig: Zu der 99-prozentigen Stromautarkie kommt der auf 100.000 Kilowattstunden deutlich gesenkte Wärme-Gasverbrauch hinzu. “Dieser Gasverbrauch wird sich aber wieder erhöhen, weil mittlerweile entschieden wurde, noch zwei weitere Neubauten ins Rosenhof-Quartier hinzuzunehmen”, so der Zahnarzt. Doch die verbauten Blockheizkraftwerke sind “Wasserstoff-ready”, können also auf grünen Wasserstoff umgestellt werden, sobald dieser erschwinglich und verfügbar ist.
Diese Neubauten, ein Mehrfamilienhaus für fünf Parteien und ein Einfamilienhaus befinden sich bereits im Bau, und werden ohne eigenständigen Hausanschluss auskommen, also ausschließlich über die bereits vorhandenen Technologien versorgt. “Eine weitere Grundstücksverschmelzung ist hierfür nicht notwendig, weil der Netzbetreiber den Plan sofort akzeptiert hat”, so Laudeley. Unterstützend wird die noch vorhandene Volleinspeise-PV-Anlage aus dem Jahr 2004 (5,75 kWp) nach Auslaufen der Einspeisevergütung zusätzlich zur Versorgung der Gebäude beitragen.
Bislang ist Soltau vor allem durch seinen Freizeitpark und Schwimmbäder bekannt. Zumindest in Fachkreisen dürfte sich das in Zukunft ändern. Denn das autarke Rosenhof-Quartier ist eine neue Energiewende-Attraktion mitten in Soltau. “Nur die dezentrale Erzeugung und Verbrauch sind eine wirkliche Energiewende”, bilanziert Laudeley. “Daher macht es Sinn, solche Quartierslösungen zusätzlich zu fördern.” Zur Nachahmung in ganz Deutschland unbedingt empfohlen.